BikeblogBeitragVon Sully nach Myenne. Atomkraft und Canal.

Ich fahre in Sully los, da sehe ich schon unweit die Kühltürme. Erfüllt mich mit einem unangenehmen Gefühl.
Das Wetter ist auch trüb, ich habe Angst, es könnte jederzeit zu regnen beginnen. Es ist kalt und ich habe daher gleich von Beginn an das super alptrails-Bandeau am Kopf unter dem Helm, wegen der Ohren hauptsächlich. Ich ziehe auch meine Regenjacke noch drüber. Drunter sind schon Nierenwärmer, T-Shirt und dünner Pullover (ja, sehr gut, dass ich so viel mithabe!).

Aber hier zuerst noch Abendstimmung vom Vortag in Sully:


Am Beginn geht’s gleich super flott voran, meine App bescheinigt mir innerhalb kürzester Zeit eine neue Durchschnittgeschwindigkeit von 18,5 km/h, hehe. Vielleicht gibt es Rückenwind, je ne sais pas. Irgendwann dazwischen räume ich nochmal mein Gepäck so um, dass der Poncho auch wirklich sofort griffbereit ist, und auch die Regenhose, es schaut echt nicht gut aus. Und dann bin ich plötzlich schon in Gien! Und es kommen ein paar Sonnenstrahlen durch, sehr fein, aber auch gleich wieder sehr heiß. Vor allem nachdem ich mich auf den Hügel hinauf geplagt habe, um die Kirche und das Château aus der Nähe zu sehen.

Ich lasse von nun an Regenjacke und Kopftuch weg, gleich besser. Ich habe noch keinen Hunger, daher fahre ich von Gien gleich weiter. Ich weiß immer noch nicht, wo mein heutiges Ziel eigentlich liegt. Da das Wetter aber offenbar irgendwie stabil ist, obwohl dauernd graue Wolken am Himmel stehen, habe ich keine Panik mehr, dass es jederzeit schüttet und fixiere mir bei meiner Jause (die zweite Hälfte des gestrigen Dürüms) ein ambitioniertes Ziel. Ich buche ein chambre d’hôte in Myenne. Die Bewertungen auf booking sind super und der Preis noch besser: 30 Euro. Schon gebucht. Halt noch über 40 km von da an, und ich habe aber schon über 30 km in den Beinen.

Bald überrascht mich ein wirklich netter Abschnitt an einem Canal, an dem es Schiffahrt gibt. Hausboote liegen da in einem Hafen. Der Weg von Bäumen gesäumt, großes Gequake links und rechts, abwechslungsreiches Fahren. Ich beruhige mich wegen der weiten Strecke, die noch vor mir liegt und genieße den Abschnitt, dazu bin ich ja schließlich hergekommen.

Dann wird’s nochmal aufregend, weil ich fahre DIREKT am nächsten Atomkraftwerk vorbei. Gesehen hab ich es längst schon, aber ich wusste ja nicht, dass der Weg dort direkt vorbeiführt. Ich will da gar nicht hin, mich gruselts da. Rundherum lauter Naturschutzgebiete, Vogelparadiese, ausgewiesene Areale sans pesticides, und dann das. In meinem Kopf ein Widerspruch. Tatsächlich habe ich noch nie eines aus der Nähe gesehen, und die Kühltürme sind echt beeindruckend hoch. Aber da braut sich eine dunkle Wolke zusammen direkt über dem Kraftwerk, interessante Symbolik.

Am Schluss, die letzten 15 km wird der Weg wieder ein bisschen fad, auf einem Damm immer weiter und weiter und weiter und langsam freut es mich nimmer, ich will duschen, ich will essen. Außer dem süßen Frühstück und dem halberten kalten Dürüm war da heute noch nix. Dass ich in Frankreich hungern werden hätte ich nicht geahnt. Aber gut, heute ist Feiertag, alle Geschäfte sind zu und auch viele Gasthäuser, stelle ich fest.

Endlich am Ziel angekommen, freue ich mich erstmal auf die Dusche, die ist auch extrem super, ich dusche ausgiebig und die Haare dürfen heute auch nass werden. Auf meine patscherte, weil schon geschwächt, Frage nach où manger quelquechose? zuckt meine Gastgeberin die Schultern und verweist mich auf einen Pizza-Automaten (!) unweit der Unterkunft. Den habe ich sogar beim Herfahren gesehen, und ja, ich habe sonst keine Essensanbieter gesehen, aber Pizza aus einem Automaten???

Nach der Dusche bin ich soweit, ich will jetzt bitte was essen, egal was, also auf zum Pizza-Automaten. Als ich bei der Haustür rausgehe, sehe ich eine Frau, ein weiterer Gast im Haus, die im Garten sitzt. Ich spreche sie an, und erzähle, dass ich jetzt zu diesem Automaten fahre. Sie lacht verzwickt und meint, leider, der ist offenbar kaputt, da war sie schon. Sie ist sehr hungrig und hatte auch nur noch einen Apfel. Wir beschließen auf französisch, dass wir was brauchen. Sie ist Französin und übernimmt das Telefonieren. Tatsächlich finden wir einen Pizza-Lieferanten und wir bestellen Pizzen, kleine Pizzen, nur ja nicht zu viel, haha.

So geht ein interessanter und anstrengender Tag mit zwanglosem Geplauder auf französisch (ich erkläre sogar, wieso ich ausgerechnet von Orléans nach Hause fahre) und gemeinsamen Pizza-Essen zu Ende. Je suis très fatigue maintenant, bonne nuit tout le monde!

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