Großes Geheule. Große Versöhnung.
So. Ich sag euch jetzt mal was. Entspannt und easy cheesy ist das alles hier echt nicht. Ich bin meist sehr angestrengt, muss immer super freundlich sein, dauernd bitten um was, weil von selbst kommt da gar nix. Das Französisch geht zwar eh halbwegs, aber es ist RICHTIG anstrengend. Deshalb brauchte ich auch die Ruhe am Campingplatz, schon nach so kurzer Reisezeit.
Der Regen und die Kälte sind echt entbehrlich, nur schon die 5 km Fahrt im Regen von Myennes nach Cosne-sur-Loire zum Zug war mir genug.


Dann in Nevers angekommen, stelle ich fest, da gibt’s schon wieder mal keinen Lift am Bahnsteig, nicht einmal so eine Rinne auf der Seite bei den Stufen. Die Stufen sind echt steil. Ich steh ein bissi ratlos. Das ist definitiv zu steil, um mit dem ganzen Gepäck runter zu holpern. Ich nehme eine Satteltasche ab und versuche es mit der umgehängten Tasche über der rechten Schulter aber das Rad ist zu schwer, schon kippt es gleich! Da kommt eine helfende Hand und hebt mit mir die restlichen Stufen das Rad runter, merci beaucoup. Vorne, beim Ausgang gibt es wenigstens so eine Rinne auf der Seite. Auf der linken, und so knapp am Rand, dass ich beide Taschen runternehmen muss. Na klasse. Als ich endlich mit allem wieder oben bin, die Taschen wieder montiert habe, bin ich etwas erhitzt unter dem ganzen Regenzeug und die Schulter schmerzt.
Und dann habe ich einen Navigationsfehler gemacht und bin daher zur falschen Adresse, im strömenden Regen, ohne Handy am Halter, auf großen Straßen, bergauf – das macht keinen Spaß. Und dann hupens noch deppert, ich fahr aber eh auf dem Radstreifen.
An der Adresse der Schule Saint Bernadette angekommen stelle ich fest -falsche Adresse und beschimpfe Booking, dass das nicht leichter geht, wenn man wo gebucht hat, auch dahin zu Navigieren. C’est pas drôle, ca.
Ich suche nochmal nach der Adresse, finde sie, gebe sie direkt ein und siehe da, wäre gleich ganz in der Nähe vom Bahnhof gewesen. Bei Sonnenschein wäre mir das vielleicht auch eher wurscht gewesen, jetzt aber wollte ich echt dringend ins Trockene kommen, endlich das ganze Regenzeug ausziehen und eigentlich hatte ich mich darauf gefreut, dieses Nevers zu erkunden.
Ich komme an bei den heiligen Bernadettes, beschrieben als super freundlich, nicht mal ein herzlich willkommen kommt der Dame aus. Ich radebrech mal wieder, dass ich reserviert habe, heute, für eine Nacht. Sie sagt, unter meinem Namen findet sie nichts. Ich fange an am Handy schnell die blöde Buchungsbestätigung zu suchen, mit nassen Fingern am nassen Display ist wischen nicht so einfach, aber da hat sie es eh schon. OK. Ich tropfe vor dem hohen Pult, hinter dem sie sitzt, vor mich hin, und warte. Vielleicht kommt ja noch was? Aja, hier bitte ausfüllen. Ich fülle also ein Zettelchen aus, das ist nass, als ich fertig bin, was soll ich machen, ich tropfe an den Ärmeln. Sie nimmt das Zettelchen und macht irgendwas damit. OK. Ich stehe und tropfe weiter. Plötzlich habe ich eine Hitzeattacke unter der Regenhose und ich muss sie SOFORT ausziehen. Während ich das mache, ist sie tatsächlich auch plötzlich fertig und ist genervt, weil sie einen Moment warten muss. Ich soll jetzt zahlen. OK. Dann will sie erklären. Ich verstehe, dass ich das Kärtchen und so ein Zettelchen mitnehmen sollte, das sie mir auf das Pult gelegt hat, und wir gehen in einen Gang hinein. Sie öffnet eine Tür und geht voran. Ich schließe die Tür. Sie schnauft, geht zurück und öffnet die Tür wieder. OK. Sie schaut dabei drein wie das Wetter draußen. Sie zeigt mit dem Finger wo das Frühstück ist, da hinten. Ich erahne etwas da hinten und sage OK. Dann zeigt sie mir den Lift, 1. Stock muss ich. Dann öffnet sie eine Tür hinter dem Lift, wir sind nun auf der Rückseite des Gebäudes und sie deutet mir wo der Raum ist für das Velo. Da, ganz hinten im Eck, ich kann da was erkennen. OK. Sie wird mir noch den Code für den Rad-Raum geben. Auf dem Zetterl, das ich schon habe ist auch ein Code, der ist für die Außentüren, also wie soll ich sagen, da ist eine Mauer um das ganze, und es gibt Tore, die sind offenbar später dann geschlossen und daher dieser Code, den ich schon habe. Wir gehen zurück zur Rezeption und ich will schon au revoir sagen, nix wie weg hier, aber dann erinnere ich mich, dass ich noch den Code für den Rad-Raum brauche und frage sie. Aja (!), sagt sie und schreibt ihn mir auf ein post-it, mini ding, das ist sofort nass, als ich es nehme. Aber OK.
Jetzt aber weg da und schnell Rad verräumen, damit ich endlich aus dem Zeug raus kann. Ich fahre mit dem Rad zum Rad-Raum. Der Code funktioniert irgendwie schon, aber trotzdem geht die Tür nicht auf. Da ist auch noch so ein Knauf, den versuche ich zusätzlich zu drehen, es regnet, es geht nicht auf. Ich versuche das ganze von vorn, dreh beim Schloss, dreh beim Knauf, geht nicht, il pleut. Ich fluche. Meine Schulter schmerzt. Ich schiebe das Rad mit Gepäck in die Richtung der Tür, von der aus sie mir den Rad-Raum gezeigt hat. Da sind steile Stufen hinauf. Ich finde aber unten einen Eingang, und tatsächlich, der Lift geht auch von da weg. Gut. Ich mach mal das Gepäck, das mit dem Rad löse ich dann. Es regnet. Meine Schulter schmerzt beim Hieven von dem ganzen Zeug. Ja, jetzt wäre weniger natürlich besser. Endlich das ganze Graffel im Zimmer. Jetzt noch um das Rad kümmern. Ich geh wieder hinunter und als ich hinten rausgehe, sehe ich zwei Männer, die wie Hausmeister aussehen, gerade über den Hof gehen. Ich rufe: S’il vous plaît, j’ai une question, s’il vous plaît. Die Herren bleiben tatsächlich stehen und ich laufe auf sie zu und frage nach dem Öffnungsmechanismus bei der Tür für die Velos. Sie wollen es mir zeigen und gehen schon mal vor, ich hole schnell mein Rad.
Und schau, da fängt auch schon die Versöhnung an: Sie meinen, kein Stress, ja, hol dein Rad, wir gehen schon mal vor. Als ich zur Tür komme, ist sie schon geöffnet. Ich will aber wissen, wie es geht. Daher radebrech ich schon mal wieder irgendwas von essayer und sie verstehen, lächeln freundlich und schließen die Tür wieder und ich darf selbst probieren. Sie zeigen mir wie das mit dem Knauf geht – nicht drehen, sondern runterdrücken – manno, dass ich das nicht selbst probiert habe! Ich sage, ah, ca c’est le trick – sie lachen und sagen, oui, ca c’est le trick! Ich glaube, das Wort gibt es nicht auf Französisch.
Ich gehe ins Zimmer, zieh die feuchten Sachen aus und leg mich mal ins Bett, verdrück ein paar Tränen, weil alles so gemein und so widrig ist, schreib die ersten Zeilen oben und dann schlafe ich ein Stündlein. Ich geh duschen, plötzlich Sonnenstrahlen draußen, ich beschließe, in die Stadt zu gehen. Inzwischen gabs zwar schon wieder einen Regenguss, also jedenfalls die Regenjacke mitnehmen. Aber oje, ich sehe, die ist hinten komplett voller weißer Dreck-Spritzer vom Radfahren. Also wieder ein Wort nachsehen im Übersetzter, eine Bürste muss her, la brosse. Ich geh zur Rezeption, da sitzt die gleiche Dame wie vorhin. Ich frage vorsichtig, ob Sie, vielleicht, eventuell, quelque chose comme une brosse hat. Sie will wissen wieso, ich zeige ihr meine Jacke, sie versteht sofort. Sie sucht hinten was und kommt mit einer Art Putztuch wieder und: sie putzt mit mir meine Jacke! Na sowas, das ist aber schon die gleiche Person, sie lacht und putzt, und dann ist die Jacke sauber. Sie meint, die Jacke ist ja viel zu chic zum Radfahren, mehr sowas für den Stadtbummel. Ich sage, ja, c’est vrai, aber ich dachte, ich könnte sie für beides nutzen, wir lachen.
Ich beschließe, zu Fuß den Stadtbummel zu machen, ich erwische noch ein paar Sonnenstrahlen und fotografiere, was mir unterkommt.







Ich spaziere noch zur großen Brücke hinunter, da kommt es schon ziemlich schwarz von hinten. Hui, schnell wieder hinauf in die Stadt, ich möchte noch die Kirche näher sehen. Die Kirche wird von vielen wilden Tieren oder so bewacht, die grimmig Ausschau halten nach Störenfrieden.



Es wird noch schwärzer, jetzt aber schnell irgendwo hinein, der Magen knurrt, der Regen dräut. Ich sehe angeschrieben, es gibt Tajin, na bitte, hinein mit mir. Und dann beginnt der wirklich beste Teil des ganzen Tages: Köstliche Tajin und ein, nein, zwei Gläser Wein dazu. Ein Dessert geht sich auch noch aus, was das kostet ist mir egal. Ich treffe zwei Holländerinnen, die in der gleichen Unterkunft wohnen und wir verabreden uns für das Frühstück am nächsten Tag, das sind doch schöne Aussichten. Ich gehe beschwingt durch den Park nach Hause, noch kurze Panik, ob das eh eine gute Idee ist, da ist der Park auch schon durchquert und schwupps betrete ich nach Anwendung des wertvollen Codes für die Tür, das Areal der Bernadettes. Bonne Nuit.

